Der besondere Moment meiner Reise
Hans-Jörg Lütgerhorst (Foto oben) kannte ich als literarische Figur. Michael Holzach hatte ihn in seinem Buch „Deutschland umsonst“ verewigt als einen Stationsleiter der psychiatrischen Klinik in Dortmund-Aplerbeck. Seit der gemeinsamen Studentenzeit in Bochum waren sie befreundet. 1980 hatte sich Holzach ohne einen Pfennig in der Tasche auf eine Wanderung durch ganz Deutschland begeben. Ein mutiger Selbstversuch, den er in dem sehr persönlich geschriebenen Buch verarbeitet hat. Das Buch wurde ein mehrmals aufgelegter Longseller, der mich sehr angerührt hat und vor gut 10 Jahren auf die Idee brachte, ebenfalls das Emscherland zu erwandern. Nun ist es endlich soweit. Holzachs Buch ist immer dabei. Als es 1983 verfilmt werden soll, begibt sich Holzach mit der Regisseurin zur Emscher, um nach geeigneten Drehorten zu suchen. Dabei stürzt Holzachs Hund Feldmann, der ihn 1980 die ganz Wanderung über begleitet hatte, in den Fluss. Beim Versuch, dem Tier zu helfen, ertrinkt Holzach. Feldmann kann sich retten.
Dass ich jetzt mit Hans-Jörg Lütgerhorst in einem Herner Biergarten nahe der Emscher sitze, ist ein besonderer Moment meiner Reise. Dabei habe ich seltsamerweise schon bald das Gefühl, als wenn wir uns gar nicht fremd seien. Als seien wir uns bisher nur noch nicht begegnet. Bei Cola und Pils erzählen wir uns gegenseitig Persönliches und finden dabei Gemeinsames. Dann berichtet mir Hans-Jörg Lütgerhorst, wie er von der Polizei gerufen wurde, damit er seinen ertrunkenen Freund identifiziere. Er erzählt von der Verzweiflung der Regisseurin, die Holzach nicht helfen konnte. Und von der Totenwache der Freunde in der Nacht vor der Beerdigung. Und dass Feldmann bei der Trauerfeier in der Kirche dabei sein durfte. Heute steht in Dortmund nahe dem Unglücksort eine Stele, die auf Michael Holzach hinweist. Ich habe sie natürlich schon besucht.
1983, zum Tode von Michael Holzach, schrieb der SPIEGEL über ihn: „Sein journalistisches Interesse galt den Aussätzigen dieser Gesellschaft. In den siebziger Jahren schrieb Holzach als Redakteur des Hamburger Zeitmagazins Reportagen über Stadtstreicher und Lebenslängliche, über Arbeitslose und jugendliche Alkoholiker.“ Ich glaube, auch mit Michael Holzach hätte ich mich gut unterhalten können.
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